Einleitung | Bahnanfänge | Bauphase | Eröffnung | Entwicklung | Traktion | Strecke |
Anfang 1906 hatte sich der Leutenberger Stadtrat vornehmlich mit dem Bahnbau zu beschäftigen. Zunächst galt es, die Planungen für Zufahrtstraßen zum Leutenberger Bahnhof in Angriff zu nehmen. Am 05. März 1906 stand die Bebauung des künftigen Bahnhofes auf dem Plan. Im gleichen Jahr trugen die Bemühungen des schon erwähnten ‚Leutenberger Verschönerungsverein‘ Früchte, indem die Stadt Leutenberg den Status ‚Bad‘ erhielt. Ein weiterer Umstand der eine rentable Eisenbahnstrecke versprach, sollte die Bahn doch zukünftig jede Menge Sommerfrischler nach Leutenberg und andere Orte bringen. Nach Erhalt des Status machte der Verein auch sogleich aktiv Werbung, bis in die Städte Halle, Leipzig und Berlin.
Zeitgleich begann man sich Gedanken zu machen, wie die Flut der zu erwartenden Bauarbeiter einquartiert und beköstigt werden sollte. Gasthäuser und Privatquartiere konnten nicht annähernd die erwarteten 3.000 Arbeiter beherbergen. Zudem waren diese eher höher gestellten Bahnbediensteten vorbehalten. Die Lösung waren Kantinen, welche mit sanitären Einrichtungen, einer bestimmte Anzahl Betten und einer Küche zur Versorgung der Arbeiter ausgestattet waren. Diese Kantinen wurden von Pächtern betrieben. Tatsächlich waren in den einzelnen Losen zwischen 500 und 750 Arbeiter im Einsatz. Da die einheimischen Kräfte nicht reichten, wurden Arbeiter aus Böhmen, Italien, Polen, Kroatien und Österreich verpflichtet. Diese Mischung brachte der Bevölkerung einiges Ungemach und der Gendarmerie jede Menge Arbeit. Immer wieder kam es zu Diebstählen, Betrügereien, Schlägereien und mehr als einem Mord.
↑ Die Kantine 'Brinkmann' bei Wurzbach ↑
Schwierig gestaltete sich der Erwerb der für den Bahnbau benötigten Grundstücke. Es galt, mit über 200 Grundstücksbesitzern zu verhandeln. Nach wie vor wollten manche Anrainer gar nicht verkaufen. Per Verordnung vom 30. Juni 1906 ist der Königlichen Eisenbahndirektion Erfurt Enteignungsbefugnis erteilt worden, die diese in manchen Fällen auch benutzen musste. Zudem sollte das Los1 schneller vergeben werden, als das man die entsprechenden Verträge hätte unter Dach und Fach bringen können, denn mit dieser Angelegenheit hinkte man zeitlich sehr hinterher. Daher wurden die Eigentümer aufgefordert, sogenannten ‚Bauerlaubnisverträgen‘ zuzustimmen, wobei die eigentlichen Verkaufsmodalitäten im Nachhinein geregelt wurden. Dieses sorgte für einige Verwirrung doch konnte man darauf verweisen, dass dieses Verfahren in Preußen bereits gängige Praxis war.
Am 05. Juni 1906 wurde eine seit Monaten grassierende ‚Genickstarre‘ (Meningitis) als erloschen erklärt. Daraufhin kam es zur Vergabe weiterer Lose. Bis dato hatte man damit gewartet, um eine Verbreitung dieser ansteckenden Krankheit unter den Arbeitern zu verhindern.
Die Lose teilten sich wie folgt auf:
Nachdem am Montag den, 02. Juli 1906 der Bauunternehmer Müller aus Schmalkalden mit seinem Baubüro nach Leutenberg übergesiedelt hat und ihm am selben Tage das Baugelände (Los1) übergeben wurde, begann dieser am kommenden Morgen mit den ersten Erdarbeiten.
Der erste Spatenstich am Leutenberger Bahnhof erfolgte am 05. Juli 1906. Am 24. Juli 1906 wurden auch die Bauarbeiten im Los 3 eröffnet. Los 2 war zu diesem Zeitpunkt noch nicht vergeben. Es wurde um den 20. Oktober 1906 ebenfalls dem Unternehmer Müller (Los1) zugeschlagen. In Los 5 begann am 29. Juli 1906 Bauunternehmer Preller mit 120 Mann an 11 Stellen die Arbeiten. Karte 'Baulose in Abschnitte'
Im November 1906 wurde gemeldet: „Der Bahnbau ist in allen Abschnitten gut voran gekommen…, ... von Hockeroda her ist der Bahnunterbau fertig." Am 06. November 1906 wurde das Stationsgebäude Leutenberg gerichtet. Am 12. Dezember 1906 wurde erstmals ein Eröffnungstermin genannt, der auf Oktober 1907 lautete. Eine weitere Meldung vom 20.Dezember: „.. erst soll Eichicht - Leutenberg als Teilstrecke eröffnet werden …"
↑ Ein unentbehrliches Hilfsmittel. Feldbahneinsatz beim Bahnbau 1907 ↑
Es begann ein harter Winter. Vielen italienischen Arbeitern war es wohl zu kalt, sie verschwanden in die Heimat. Trotz einem halben Meter Schnee wurde weiter gearbeitet. Ende Januar 1907 wurden 18 Grad minus gemessen. Anfang Februar wurden die Arbeiten witterungsbedingt eingestellt.
Der März 1907 begann mit schönem Wetter. Am 10. März 1907 wurde bekannt, dass die zum 1. Mai 1907 geplante Eröffnung der Teilstrecke >Eichicht – Leutenberg< frühestens zum 1. Juni 1907 erfolgen könne. Baustop und Bergrutsche trugen zu dieser Verzögerung bei (tatsächlich ist eine separate Eröffnung dieser Teilstrecke nicht erfolgt). Ende März ist die Witterung so günstig, das die tägliche Arbeitszeit von 10 auf 11 Stunden erhöht und mit Hochdruck gearbeitet wurde. Von Hockeroda bis Leutenberg waren die Dammaufschüttungen fertig und man wollte Mitte April mit dem Oberbau beginnen. Die Fertigstellung des Unterbaus und der Beginn des Gleisbaus wurden am 24. April 1907 gemeldet.
Zur dieser Zeit ist, nach Fertigstellung der Fundamente des Viaduktes an der Bärenmühle, der Bau der Brückenbögen in vollem Gange. Mitte Mai sind die ersten drei großen Bögen von 18m Spannweite fertig gestellt. Die weiteren Bögen und der restliche Aufbau folgten zügig.
↑ Die Brücke wird 120m lang, deren Höhe über Niveau Sormitz liegt bei 18,5m. Der Granit
wurde aus dem nahen Steinbruch des Bauunternehmers Bornschein bezogen. ↑
↑ Zu diesem Zeitpunkt ist auch das Bahnhofsgelände Wurzbach beinahe vollständig planiert und
„ ... das Bahnhofsgebäude aus den Grundmauern heraus." Das Richtfest erfolgte im Juli 1907. ↑
↑ Das 'wunderschöne' Bahnhofsgebäude Wurzbach, über hundert Jahre später, im Juni 2014.
Schade, das solch ein Gebäude leer steht. Ein gutes Beispiel für Nachnutzung ist das Bahnhofs-
gebäude Leutenberg, wo das örtliche Pflegeheim seit 2013 eine Tagespflegeeinrichtung betreibt.↑
19. Mai 1907, der Innenausbau des Leutenberger Bahnhofsgebäudes steht kurz vor der Vollendung, ebenso der Wasserturm. Die Wasserkräne sind bereits fertig gestellt. Ende Mai wird erstmals verlautbart, dass die geplante Fertigstellung der Strecke zum Oktober 1907 in Frage steht. An einigen Stellen treten Problem mit dem extrem harten Gestein auf, man schickt Gesteinsproben in ein Stahlwerk nach Essen, wo ein besserer Stahl produziert werden soll.
Am 12. August 1907 wurde der Bahnhof Unterlemnitz gerichtet. Im selben Monat wurde der Unterbau im Bahnhof Unterlemnitz fertig gestellt und mit dem Oberbau begonnen. Das Gleis der Strecke Triptis – Marxgrün wurde um 6 Meter in Richtung Bahnhof verschoben, um den keilförmigen Anschluss an die neue Strecke nach Eichicht zu ermöglichen.
↑ Bahnhof Unterlemnitz im Juni 2014. Ein Triebwagen der Erfurter Bahn vor der Abfahrt in Richtung Saalfeld. Über das rechts abzweigende Gleis wird der Güterverkehr nach Ebersdorf-Friesau abgewickelt ↑
Schwierigkeiten bereitet indes der Durchstich zwischen Heinersdorf und Oberlemnitz, wo 300 Arbeiter ca. 160.000 m3 Felsmassen bewegen mussten. Dort war viel Erde und Gestein nachgerutscht, so das gesonderte Schutzstreifen errichtet werden mussten. Dazu war wiederum der Zukauf von Gelände notwendig.
Wenn diese Aufnahme auch bei Grünau gemacht wurde, so verdeutlicht sie doch die Mühsal des Bahnbaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Genauso steil, wenn nicht noch steiler, sind die Hänge im Einschnitt bei Heinersdorf.
← Bahnbau bei Grünau 1907
↑ Der Geländeeinschnitt am 30.05.2014. VT011 der Erfurter Bahn unterwegs in Richtung
Wurzbach. Hinter der Kurve liegt der ehemalige Haltepunkt Heinersdorf ↑
Zu diesem Zeitpunkt beginnt auch der Oberbau in den Losen 2, 3 und 4. In Los 1 ist er bereits fertig gestellt und als Termin zur Eröffnung der Strecke wird der 1. November 2007 genannt.
In Saalfeld wurden Verhandlungen zur Festlegung des Fahrplans geführt. So legte man sich auf anfänglich 3 Personenzugpaare fest. Ein von Leutenberg und Lobenstein gefordertes viertes Zugpaar wurde nicht gewährt aber in Aussicht gestellt, sofern sich die Fahrgastzahlen erhöhen. Im Güterverkehr sollten 10 bis 15 Zugpaare täglich rollen und die Fahrgeschwindigkeit höher als ursprünglich geplant ausfallen.
Eine neuerliche Verschiebung des Eröffnungstermins, diesmal auf dem 15. November 1907 wurde am 09. September 1907 bekannt gegeben. Am 05.November wird gemeldet, das bezüglich der Eröffnung nun von ‚Mitte Dezember‘ die Rede ist. Am 25. November stand dann endlich fest, das die Eröffnung der Teilstrecke > Hockeroda - Wurbach < am 15. Dezember 1907 stattfinden wird. Die Eröffnung der übrigen Strecke bis Unterlemnitz erfolgt später.
Nunmehr entbrennt ein Streit zwischen Leutenberg und Wurzbach um die Ausrichtung der Eröffnungsfeier. Während Wurzbach damit argumentiert, die größere Stadt zu sein, verweist Leutenberg auf den Umstand, dass hier die Eisenbahnbauleitung ihren Sitz und die Stadt den Bahnbau mit 90.000 Mark bezuschusst hat. Wurzbach führt zudem in’s Feld, dass einflussreiche Bürger Leutenbergs 1871 den Weiterbau der Strecke von Eichicht als Hauptbahn durch das Sormitztal in Richtung Hof erfolgreich verhindert hätten, was die Region um Jahrzehnte zurück geworfen hätte. Indes wurden Verhandlungen bezüglich der Eröffnungsfestivitäten abgebrochen, weil Wurzbach hartnäckig an seiner Meinung festhielt. Die Eisenbahndirektion Erfurt soll aber Leutenberg favoritisiert haben, was Wurzbach letztlich zum Einlenken bewegte. Trotzdem ließ der Ort sich ein eigenes Festprogramm nicht nehmen.
Nach der Eröffnung des Abschnittes > Hockeroda - Wurzbach < gingen die Arbeiten an dem letzten Abschnitt nach Unterlemnitz weiter. Mit den durch den Einschnitt bei Heinersdorf gewonnen Fels –u. Geröllmassen wurde die bogenförmige Dammaufschüttung (r=237m) zwischen Ober –u. Unterlemnitz errichtet.
↑ Der aufgeschüttete Bahndamm bei Oberlemnitz im Juli 2014.
Gravita-Trio mit Güterzug von Blankenstein nach Saalfeld↑
In Lobenstein beendete man Umbauarbeiten am Bahnhofsgebäude. So richtete man hier u.a. eine Küche nebst Speisen –u. Getränkeausgabe ein. Die Beamtendecke wurde aufgestockt, Personal nach Lobenstein versetzt. Auch andernorts werden Restarbeiten erledigt.
Am 1. März 1908 wurde dann auch die Strecke zwischen Wurzbach und Lobenstein dem Verkehr übergeben.
Quellen:
"100 Jahre Sormitztalbahn"... eine heimatkundliche Arbeit zum 100jährigen Bestehen der Sormitztalbahn von Alfred Wolfram, Leutenberg, mit freundlicher Genehmigung zur inhaltlichen Wiedergabe.
Wikipedia
Fotos:
Horst Wagner, Leutenberg
Schmidt, Wurzbach
Karten:
(Kartenhinweise beachten!)