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Die Eröffnung der Teilstrecke >Hockeroda – Wurzbach< wurde vielerorts festlich begangen. Neben der Veröffentlichung von Einladungen zu den Eröffnungsfeierlichkeiten wurde die Bürgerschaft Leutenbergs dazu aufgerufen, die Häuser und Straßen schmücken zu wollen.
In der Folge verwandelte sich Leutenberg in einen festlich geschmückten Ort. Während die Stadt das Rathaus und den Bahnhof dem Anlass entsprechend herausputzte, überschlug sich die Bürgerschaft im Schmücken ihrer Häuser. Ehrenpforten, Willkommensgrüße, Kränze und Girlanden schmückten die Stadt und Flaggen wehten in Massen von den Häusern. Wurzbach stand dem in nichts nach und auch entlang der Strecke begrüßten die Menschen in gleicher Weise die neue Eisenbahn. Selbst an Bäumen mitten im Wald sollen Fähnchen geweht haben und sogar das Regenwetter hatte sich dem Anlass gemäß verzogen.
Am großen Tag, Sonntag, dem 15. Dezember 1907 war es endlich soweit. Unzählige Leutenberger Bürger fanden sich gegen 11 Uhr am Bahnhof ein. Gegen 12 Uhr kündete ein Kanonenschuss und ein anschließendes Salutschießen vom Nahen des Festzuges.
↑ Der Eröffnungsfestzug! Die Lok mit der DRG-NR.: 91 324, der Baureihe pr T 9.3, wurde von der
Fa. Henschel 1902 gebaut. Fabr.-Nr.: 6133, Leistung: 440 PS, Geschwindigkeit: 65 km/h
Länge über Puffer: 10 700 mm, Bahnverwaltung: K.P.E.V., Direktion: KED Erfurt,
Maschinenamt Jena, Lok-Nr.: 7265 Erfurt, Angaben: H. W. Bauer. ↑
Nach 10minütigem Aufenthalt, den Bürgermeister Crone für eine kurze Ansprache nutze, ging die Fahrt weiter in Richtung Wurzbach. In Lichtentanne wurde der Zug durch den Ortsbürgermeister und den örtlichen Gesangsverein begrüßt. Besonders glanzvoll fiel die Begrüßung in Wurzbach aus. Sämtliche Vereine der Stadt, die Arbeiter der Heinrichshütte, die Feuerwehr und unzählige Bürger begrüßten den Eröffnungszug. Nach den obligatorischen Ansprachen wurde in den Warteräumen des Bahnhofes ein Imbiss gereicht.
Gegen 14 Uhr fuhr der Zug zurück nach Leutenberg, wo er eine dreiviertel Stunde später ankam und die Feierlichkeiten ihren Lauf nahmen. Mit der Militärkapelle voran ging es zum Leutenberger Rathaus wo das Festessen mit ca. 130 Personen stattfand.
Im folgenden folgte Festrede auf Festrede, Glückwunschtelegramme wurden verlesen und Trinksprüche ließen die Stimmung recht fröhlich und gelassen ausfallen. In den Reden wurde immer wieder die Wichtigkeit der Bahn für die Entwicklung der Industrie, des Verkehrs, des Tourismus, überhaupt der gesamten Wirtschaft hervor gehoben.
Desweiteren gab es etliche Lobhudeleien:
„Die Zusammenarbeit der Staaten Reuß j. L., Schwarzb.-Ru., Sa.-Mein. und Preußen wurde als Akt deutscher Einigkeit gewürdigt. Die Techniker und Planer lobten die Bauausführenden. Diese lobten wiederum die Techniker und Planer. Am Schluss ihrer Reden lobten alle das gelungene Bauwerk und wünschten der Bahn viel Glück und erfolgreiches Gedeihen für die Region." (Zitat: 100 Jahre Sormitztalbahn)
Der Tag klang aus mit Tanzveranstaltungen. In Leutenberg im Rathaussaal und im Bahnhofshotel, in Wurzbach wurde in beiden ‚Fischer’schen Sälen‘ geschwoft. Bleibt noch zu erwähnen, dass der Wurzbacher Clemens Zeumer anläßlich der Eröffnung eigens einen eigenen Marsch komponiert hat.
↑ Der fertig gestellte Bahnhof Wurzbach. Die Aufnahme soll 1908 entstanden sein. Unterdessen
ist diese einmalige Aussicht einer umfangreichen kleinstädtischen Bebauung zum Opfer gefallen.↑
Ab 16.12.07 galt folgender Fahrplan (vorerst ab und an Wurzbach):
Ihre Feuerprobe hatte die Bahn während des Weihnachtsmarktes 1907 in Leutenberg zu bestehen, wie das Leutenberger Kreisblatt am 25. Dezember 1907 meldete. Dabei stellte sich heraus, ...
… „dass die Frequenz des Leutenberger Marktes doch wesentlich unterschätzt worden war. Passagiere, wie auch das dort so gesuchte Borstentier, ... mussten die Unzureichlichkeit der Zugräumlichkeiten erfahren. Die Anschlüsse in Hockeroda müssen schon manchen „Weniggereisten" irre und zum „Warten auf den nächsten" geführt haben. Es hat eben alles seinen Anfang und der ist bekanntlich schwer."
Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall.
Schon im Sommer 1907 war in örtlichen Zeitungen vom bevorstehenden Niedergang der traditionellen fahrenden Post zu lesen. Seit 1778 beförderte der ‚Leutenberger reitende Bote‘ Post von Leutenberg über Könitz nach Rudolstadt, Stadtilm und Arnstadt, donnerstags kam er zurück. Die ‚kaiserliche Post‘ befuhr zweimal die Woche die Route Rudolstadt-Dorfilm-Lobenstein- Hof-Nürnberg (jeweils hin –u. zurück). Ab 1862 kam täglich eine fahrende Post von Saalfeld nach Leutenberg und fuhr weiter nach Lobenstein. 1865 wird eine Personenpost von Leutenberg nach Lehesten eingerichtet. 1868 fahren von Leutenberg aus 4 Personenposten und befördern 1154 Personen im Jahr. 1874 wurden von Leutenberg aus 2366 Personen mit der Postkutsche befördert.
Bis zum 15. Dezember 1907 fuhren täglich acht Postkutschen durch Leutenberg. Das kaiserliche Postamt befand sich in der Oberen Marktstraße 16 (Heute Hauptstr.12). Die Pferdewechselstation befand sich im ‚Weißen Lamm‘ und der Postillion übernachtete in der ‚Kutscherkammer‘ im Postamt.
Doch mit dem 15. Dezember und der Eröffnung der neuen Bahnstrecke ging diese Ära zu Ende. Am Vormittag, in der neunten Stunde, hielt die letzte Personenpost Leutenberg – Eichicht vor dem Kaiserlichen Postamt. Sämtliches Postpersonal, allen voran der damalige Postsekretär ‚Karl Eduard Baehnisch‘, nahm vor der, mit Fähnchen und Girlanden geschmückten Postkutsche Aufstellung, um sich mit der „…treuen Gefährtin, die 45 Jahre ihren Dienst versehen hat…" fotografieren zu lassen. Leider sind die Bilder nicht mehr aufzufinden. Auch viele Bürger kamen zusammen, um die letzte Postkutsche zu verabschieden. Als das Zeichen zur Abfahrt kam und der Postillion besonders gefühlvoll sein ‚Morgen muss ich fort von hier…‘ blies, standen vielen, vor allem älteren Bürgern Tränen der Rührung in den Augen. Mit Wehmut sahen sie der Postkutsche nach, in dem Wissen, dass ein Stück ihrer Lebens davon fuhr und für immer verloren war.
↑ Nicht an der Sormitztalbahn sondern an der einstigen Bahnlinie >Kappel-Lenzkirch-Bonndorf<
in Lenzkirch ist dieses Foto entstanden. Es zeigt aber das gleiche Dilemma, nämlich die dortige
letzte Postkutsche, die am 24.9.1907 fuhr. Die Trauerbeflaggung verdeutlicht auch hier das
Bewusstsein der Bürger, das ein Stück Zeitgeschichte unwiderbringlich verloren geht.
(Quelle: www.baehnleradweg.de; mit freundlicher Genehmigung) ↑
Quellen:
"100 Jahre Sormitztalbahn"... eine heimatkundliche Arbeit zum 100jährigen Bestehen der Sormitztalbahn von Alfred Wolfram, Leutenberg, mit freundlicher Genehmigung zur inhaltlichen Wiedergabe.
Fotos:
Horst Wagner, Leutenberg
Schmidt, Wurzbach
www.baehnleradweg.de
Karten:
(Kartenhinweise beachten!)